Konuya cevap yaz

Geschichten, die grammatische Regeln vermitteln

Plural


Die unersättliche Tasche

Johannes Merkel


1.

Was benutzt ihr zum Einkaufen? Einen Korb, eine Tasche oder einen Koffer?

Und wie viel kauft ihr von jedem Artikel, den ihr braucht? Einen oder zwei oder sechs oder zehn?


2.

Früher machte es unser Herr Meier genauso wie andere auch: Er packte die Sachen, die er kaufen wollte, in den Einkaufskorb, schob ihn zur Kasse, bezahlte die Ware und schob sie dann in die Einkaufstüte, die er dafür mitgebracht hatte. Doch dann fand er diese wunderbare Tasche, und seitdem lief alles anders. 

Die Tasche lag eines Morgens im Flur vor seiner Wohnungstür und Meier hatte sich gleich in sie verguckt. Er hob sie auf, betrachtete sie und er fand sie nicht nur schön, sondern auch ausgesprochen praktisch: Eine buntbestickte Stofftasche mit einem stabilen Tragegurt, eine breite Klappe, die die Öffnung oben verschloss, so dass nichts herausfallen konnte, selbst man sich bücken musste, das Ganze sauber aus einem unverwüstlichen Stoff gearbeitet. Was Meier allerdings erst entdeckte, als er damit einkaufen ging: Diese Tasche war nie zu klein. Selbst wenn man sie bis obenhin vollstopfte, konnte man immer noch was reinschieben. Dann beulte sich der Stoff einfach etwas mehr aus und schon passte noch eine Flasche oder noch zwei Beutel Obst hinein. 

Meier nahm an, die Tasche gehöre einem seiner Nachbarn, darum ging er von Wohnung zu Wohnung und fragte, ob sie eine Tasche verloren hätten. Aber alle schüttelten nur den Kopf. Meier überlegte, ob er sie beim Fundamt abgeben sollte. Aber nein, das fand er doch übertrieben, lieber behielt er sie, um sie selbst als Einkaufstasche zu benutzen. 

Seitdem sah man unsern Herrn Meier nur noch mit seiner geliebten Tasche einkaufen gehen. Selbst zum Aussuchen der Artikel benutzte er keinen Einkaufswagen mehr. Er hatte seine Tasche um die Schultern hängen und packte alle Artikel rein, die er einkaufen wollte. An der Kasse holte er sie dann alle wieder aus der Tasche, legte sie auf den Tresen, zahlte und schob sie in die Tasche zurück.


3.

Am ersten Tag lief das wie so viele Tage zuvor: Wie immer hatte sich Meier einen Einkaufszettel geschrieben, griff sich die benötigten Artikel aus den Regalen, schob sie in seine neue Tasche, zahlte an der Kasse und ging zufrieden nach Haus. Was sag ich? Mehr als zufrieden. Immer wieder strich er auf dem Heimweg mit der Hand über den samtweichen Stoff der neuen Tasche und freute sich über seinen glücklichen Fund.

Doch schon am nächsten Tag lief alles anders. Ganz oben auf dem Einkaufszettel liest er: Ein Glas Gurken. Also greift er im Regal mit den Gemüsekonserven nach einem Gurkenglas. Da hört er plötzlich eine Stimme: „Zwei Gläser! Zwei Gläser!“

Er schaut sich um. Aber seltsam, da ist niemand neben oder hinter ihm. Und doch hört er schon wieder diese Stimme: „Zwei Gläser! Zwei Gläser!“

Er greift nach einem zweiten Gurkenglas und schiebt es in seine Tasche. Und siehe da, es ist nichts mehr zu hören. 

Na ja, denkt er, ist ja vielleicht nicht so verkehrt, schließlich liebt er eingelegte Gurken, das erste Glas würde schon bald alle sein. 

Was hat er jetzt noch auf dem Einkaufszettel? Eine Flasche Milch. Er greift nach einer Milchflasche und was hört er da schon neben sich?

„Zwei Flaschen! Zwei Flaschen!“

Was ist denn heute nur los? Er schießt herum, aber hinter ihm steht nur eine Oma, die die Molkereiprodukte im Regal studiert. Sie aber kann nicht geredet haben, sie steht mit zugeschniffenen Lippen da, trotzdem hört er schon wieder neben sich kreischen: „Zwei Flaschen! Zwei Flaschen!“

Er nimmmt eine zweite Flasche aus dem Regal und lauscht. Nichts mehr zu hören!

Was stand da als Nächstes auf seinem Zettel? Ein Küchentuch. Er sucht sich ein rot-kariertes aus und schiebt es in die Einkaufstasche. Und was hört er schon wieder?

„Zwei Tücher! Zwei Tücher!“

Nein, das ist Unsinn, ein Tuch ist erst einmal genug. Beim Weitergehen aber zetert und keift es neben ihm: „Zwei Tücher! Zwei Tücher!“

Diesmal hat er ganz genau gelauscht, jetzt ist er sich sicher: Die Stimme kommt aus seiner Tasche. Er klappt die Tasche auf und was sieht er? Da liegen friedlich zwei Gurkengläser, zwei Flaschen Milch und ein Küchentuch. Er hebt sie aus der Tasche, um nachzusehen, ob sich vielleicht da drunter irgendwas versteckt, was reden kann, vielleicht ein Lautsprecher oder ein Handy. Aber da ist rein gar nichts. Er verstaut seine Sache wieder in der Tasche und will weitergehen, da krächzt und keift es noch aufdringlicher: „Zwei Tücher! Zwei Tücher!“

War das wirklich seine Tasche, die dieses aufdringliche Geschrei anstimmte? Er greift sich ein zweites Wischtuch und schiebt es in die Tasche. Er horcht. Tatsächlich: Kein Ton mehr zu hören!

Da ist nichts daran zu rütteln: Es ist seine neue Tasche, die  verrückt spielt. Und so geht das jetzt den ganzen Einkauf. Sobald er nach einem Artikel greift, zetert es neben ihm, er soll zwei davon mitnehmen. Sobald er das tut, ist sie zufrieden. 

Zum Schluss kommt er noch an dem Zeitungsstand vorbei, wo er jeden Morgen seine Zeitung mitnimmt. Und was muss er wieder hören? 

„Zwei Zeitungen! Zwei Zeitungen!“

Alles, was Recht ist, denkt er sich. Zwei Flaschen Milch okay, damit brauche ich morgen keine Milch zu kaufen. Auch das zweite Wischtuch werde ich früher oder später brauchen können. Aber eine zweite Zeitung, in der das Gleiche steht wie in der ersten? Außerdem ist schon morgen alles von gestern, was sie darin schreiben. „Kommt ja gar nicht in die Tüte!“ denkt er sich und will weitergehen. Aber was muss er da hören?

„Zwei Zeitungen! Zwei Zeitungen!“

Und das auch noch so aufdringlich und laut, dass sich schon der ganze Supermarktnach ihm umblickt. Und hinter ihm schimpft ein älterer Herr: „Können Sie Ihrem Bengel nicht etwas Benehmen beibringen?“

Meier hasst es Aufsehen zu erregen. Was bleibt ihm da anderes übrig als eine zweite Zeitung mitzunehmen. Nun ja, sie kostet auch ja nicht die Welt. 

Was hat wer denn noch alles auf seinem Einkaufszettel stehen?

Dose Bohnen

Salatkopf

Melone

Packung Erdnüsse

Weißbrot

Schachtel Teebeutel

Rolle Plastikfolie

Becher Sahne

Hartwurst

Tüte Bonbons

Und jedes Mal zetert ihm die Tasche die Ohren voll, bis er gleich zwei davon mitnimmt. Was soll er machen? Als Mensch, der am liebesten seine Ruhe hat, tut er ihr eben den Gefallen.

Am Schluss will er sich wie gewohnt noch ein Kilo Bananen mitnehmen. Und damit die Tasche nicht gleich wieder loskräht, packt er vorsichtshalber gleich zwei Kilo ein. Aber was muss er da hören? „Vier Kilo Bananen! Vier Kilo Bananen!“


4.

Im Grunde genommen fand es Meier gar nicht so verkehrt, dass er alle Artikel doppelt eingekauft hatte. Immerhin konnte er ja alles brauchen Nur was er mit den vielen Bananen anfangen sollte, war ihm nicht recht klar. In jedem Fall brauchte er morgen außer der Zeitung nichts weiter einzukaufen. Und die Zeitung, die würde er sich eben diesmal ohne seine vorlaute Einkaufstasche besorgen. 

Aber schon am nächsten Morgen erlebte er die nächste Überraschung. Als er in die Küche kam, trat er auf eine angebissene Gurke. Das Glas Einleggurken entdeckte er zerbrochen im Abguss und die Gurken lagen zwischen den Scherben herum. Auf einem Stuhl lagen die Schalen einer ausgefressenen Melone. Von der Hartwurst war nur noch ein angeknabbertes Reststück auf dem Küchentresen zu finden. Und die vier Kilo Bananen waren komplett verschwunden. Die Bananenschalen entdeckte er schließlich auf seinem Couchtisch in der zerknüllten Zeitung. 

Unser Herr Meier erschrak: Das sah doch ganz nach einem Einbruch aus! Er untersuchte die Schlösser der Wohnungstür, sie waren alle intakt. Durch das Fenster konnte der Einbrecher auch nicht eingestiegen sein, schließlich wohnte Meier im fünften Stock. Er untersuchte die Schreibtischschublade, in der seine Wertsachen verwahrte: Es fehlte nichts. Die hätte sich doch ein Dieb als erstes gegriffen. Ob er vielleicht selbst im Traum durch die Wohnung gewandelt war und die Sachen gefuttert hatte? 

Meier schüttelte nur den Kopf, nahm seine Einkaufstasche vom Haken und ging die verschwundenen Sachen nachkaufen. 

Einträchtig stapften die beiden zum Supermarkt. Aber da erlebte Herr Meyer die nächste Überraschung. Nicht nur dass die Tasche gleich wieder krähte: 

„Zwei Gläser! Zwei Flaschen! Zwei Beutel!“

Die fing an nach Artikeln zu schreien, die er gar nicht auf seiner Einkaufsliste hatte. Das sah dann so aus: Er wollte nur gerade mal aus dem Drogeriewarenregal einen Wattebeutel mitnehmen. Und natürlich hörte er gleich: „Zwei Beutel! Zwei Beutel!“

Na gut, irgendwann kann man auch einen zweiten Wattebeutel brauchen. 

Aber dann lag da daneben eine rot-blau getönte Bürste. Und was musste er hören? „Zwei Haarbürsten! Zwei Haarbürsten!“

Eine Haarbürste brauchte er nun wirklich nicht. Und schon gar nicht zwei, schließlich hat unser Herr Meier eine Glatze, auf der sich gerade noch drei Haarsträhnen langweilen. Aber da war nichts zu machen. Um sich das Geschrei vom Hals zu schaffen, schob er wütend zwei nutzlose Haarbürsten in die Tasche. 

Und so ging das in einer Tour. Stets entdeckte seine Tasche noch etwas, was sie unbedingt haben musste, und natürlich immer in zweifacher Ausführung. Könnt ihr euch denken, was diese aufdringliche Tasche ihn alles mitzunehmen zwang? 

Am Ende war die Tasche proppenvoll und unser Herr Meier schnaufte, als er sie zur Kasse schleppte.


5.

Und was glaubt ihr, erlebte unser Herr Meier, als er am nächsten Morgen aufstand? Im Flur flog das Staniolpapier einer Tafel Schokolade herum. Am Küchenboden lag eine Packung Mehl verstreut. Die Bananen waren wieder restlos aufgefuttert. Und dann entdeckte er zwischen dem verstreuten Mehl deutlich den Abdruck einer Hand. Aber komisch, sie war ganz schmal, das konnte nicht die Hand eines erwachsenen Menschen sein, eher wirkte sie schon wie eine Kinderhand. 

Meier beschloss, sich in der nächsten Nacht auf die Lauer zu legen. Aber erst einmal entschied er, die verschwundenen Sachen nachkaufen. Als er aber nach dem Gurt der Tasche griff, erwischte er den Stoff der Tasche und dabei kam es ihm vor, als ob etwas knisterte. Ob er sich das eingebildet hatte? Er fingerte nun die Tasche ganz genau ab und kein Zweifel, es knisterte deutlich, sobald er die Stofftasche zusammenknautschte. Aufgeregt untersuchte er die Tasche: Es fühlte sich an, als ob ein Papier im inneren Futter steckte. Mit einer Schere schnitt er das Futter auf und zog einen zusammengefalteten Bogen Papier heraus. 

Er klappte ihn auf und las: „Wer immer du bist, der diese Zeilen findet, du bist ein Glückspilz. Was du in den Händen hältst ist das Testament eines alten Mannes, der bald ohne Nachkommen sterben wird und dir sein Haus und alle seine Habe vermacht. 

Unter einer Bedingung: Wo immer du die Tasche mit dieser Nachricht gefunden hast, wisse, dass sich auch mein geliebtes Äffchen in seiner Nähe aufhält. Sorge für das gute Tier, das die Freude meines Alters war.“

Ahnt ihr jetzt, wer heimlich Meiers Sachen gefuttert hatte? Meier begann die Wohnung durchzusuchen und fand in einem Winkel seiner Besenkammer ein verängstigtes Äffchen. Er redete ihm gut zu, da kam das Tierchen heraus und wurde ganz zutraulich.

Dann ging Meier mit dem Testament aufs Erbschaftsgericht und erbte tatsächlich ein geräumiges Haus. Dort richtete er sich ein und lebte mit dem putzigen Äffchen. Und natürlich ging er niemals mehr ohne die traumhafte Tasche einkaufen, die ihm solches Glück gebracht hatte. Die Tasche musste ihn auch nicht mehr auffordern, alles zweitfach einzukaufen, das machte er ja sowieso, schließlich musste er doch sein Äffchen versorgen. Nur die Bananen, die kaufte er jetzt gleich kistenweise. Aber falls er doch einmal vergessen sollte, eine doppelte Portion mitzunehmen, würde ihn ja auch seine Tasche daran erinnern und gleich wieder krähen: „Zwei Dosen!“ Oder: „Zwei Gläser!“


[Sprachförderung: Pluralbildung]



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