RUTH
Als der alte Mann an einem nebligen Morgen die Strasse entlang spazierte,
sah er plötzlich Ruth vor sich, die weggeworfene Pet-Flaschen und anderen
Müll aufhob und in eine Tasche steckte. Als er neben ihr war, fragte er sie,
warum sie das denn tue. Ruth blickte ihn seltsam an und sagte:
"Das ist ganz einfach, weil Müll die Umwelt stark belastet und was die
Umwelt belastet, schadet auch uns Menschen."
"Aber die Strasse, das Land, die Welt, überall gibt es Abfall und der Mensch erzeugt täglich jede Menge neuen", erwiderte der Alte. "Was macht es also
für einen Unterschied, wenn du dich abmühst?"
Ruth blickte auf die Flasche, die sie eben aufgehoben hatte und steckte
sie in ihre Tasche. Dann meinte sie:
"Für diesen Meter Natur macht es einen Unterschied. Hilf doch auch."
"Müll sammeln", meinte er unangenehm berührt.
"Der Tod ist doch der Einzige erfolgreiche Sammler."
Mit diesem Gedanken drehte er sich um und ging nach Hause. Doch das
Bild von Ruth mit ihrem Sammlereifer und dem, was sie gesagt hatte,
liessen ihn nicht los. In dieser Nacht schlief er schlecht. Er grübelte,
liess sich den Kreislauf des Lebens, des Abfalls und aller möglichen Dinge
durch den Kopf gehen.
Am anderen Morgen stand er früher auf als sonst. Zielstrebig war er
und in Eile. Er wusste genau, was er wollte, nämlich Ruth suchen.
Als er sie endlich gefunden hatte, half er ihr den ganzen Tag Müll
aufsammeln. Er lief mit ihr über Wiesen, durch Wälder und Täler und
abends gingen sie den ganzen "Dreck" richtig entsorgen.
"Du hast recht, und wir haben alle die Möglichkeit einen Unterschied
zu machen", sagte er noch, bevor er nach Hause ging.
(© Monika Minder, neue Fassung 20.12.2014)
(Nach einer Idee von The Star Thrower (der Sternwerfer) von Loren Eiseley.)